01.06.2020

Die neue Gustav-Böhm-Siedlung

Bewegte Geschichte

1945 blickte die Welt auf einen verheerenden Krieg zurück. In Deutschland war ein Viertel der Wohnungen zerstört oder schwer beschädigt. Ausgebombte, Kriegswaisen, Flüchtlinge, Vertriebene und Heimkehrer suchten verzweifelt nach einer Unterkunft. Es herrschte echte Wohnungsnot im ganzen Land.

Im Jahr 1947 kündigte der damalige US-Außenminister George C. Marshall ein umfangreiches finanzielles Hilfsprogramm zum Wiederaufbau Europas an, das unter seinem Namen in die Geschichte eingehen sollte: Das European Recovery Program (ERP) wurde später von allen nur noch als Marshallplan bezeichnet.

In Bad Segeberg hatte es der Sozialdemokrat und Gewerkschaftssekretär Gustav Böhm durch hartnäckige Antragstellung geschafft, Mittel aus ebendiesem Marshallplan für die neue Siedlung in der Südstadt zu beschaffen. Und so kam es am 3. Mai 1950 zum ersten Spatenstich für das Quartier mit 200 Wohnungen. Bereits Ende des Jahres konnten die ersten Wohnungen bezogen werden. Gustav Böhm hat dies leider nicht mehr erlebt, da er bereits am 12. März 1950 verstarb. Ihm zu Ehren wurde die ERP-Siedlung zwei Jahre später von der Stadtvertretung offiziell in Gustav-Böhm-Siedlung umbenannt. Seither halten sich beide Bezeichnungen, wenn von der Siedlung mit dem seinerzeit so dringend benötigten Wohnraum die Rede ist.

Ein neues Quartier entsteht

In Abstimmung mit der Stadt Bad Segeberg und dem Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein soll nun der schrittweise Rückbau der Wohnanlage und die Errichtung zeitgemäßer Wohnungen in mehreren Bauabschnitten erfolgen. Mehr noch: Mit der neuen Siedlung wird ein nach vielen Gesichtspunkten zukunftsorientiertes Quartier entstehen, an dem auch der Namenspate Gustav Böhm seine Freude gehabt hätte.

Nach dem derzeitigen Planungsstand entstehen in 13 Wohngebäuden insgesamt 236 neue Wohnungen. Diese werden sich in unterschiedlichen Gebäudetypen mit zwei bis drei Vollgeschossen zuzüglich eines Staffelgeschosses befinden. Die Flachdächer der Gebäude erhalten Dachbegrünungen.

Bei den Wohnungen wird es einen Mix aus verschiedenen Wohnungsgrößen von zwei bis vier Zimmern mit ca. 50 bis ca. 90 Quadratmetern Wohnfläche geben, die barrierefrei über Aufzugsanlagen erreicht werden können. Gut ausgestattete Einbauküchen und großzügige Bäder gehören ebenso zum Standard wie eine Fußbodenheizung.

Mindestens 30 Prozent des neuen Wohnraums sollen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung errichtet werden. Nach den aktuellen Förderbedingungen des Landes Schleswig-Holstein beträgt die höchstzulässige Nettokaltmiete für diese Wohnungen 5,95 €/m² im ersten und 8,00 €/m² im zweiten Förderweg. In einem weiteren Gebäude werden eine Kindertagesstätte sowie die bereits vorhandenen Angebote „Haus für Kinder“ und „Fahrradwerkstatt“ untergebracht sein. Durch die zum Großteil erhaltenen Bäume und gezielte Neuanpflanzungen wird das Quartier einen parkähnlichen Charakter bekommen.

Nachhaltig und zukunftsorientiert

Der Autoverkehr für die Anlieger beschränkt sich auf den Randbereich des Quartiers und es soll ein Car-Sharing-Angebot geben. Darüber hinaus wird auch die Nutzung von Fahrrädern gefördert, indem in die einzelnen Wohnhäuser spezielle Fahrradräume mit E-Ladestationen integriert werden. Auch im Hinblick auf den Klimaschutz wird die neue Gustav-Böhm-Siedlung zukunftsorientiert und nachhaltig geplant. Neben einer zeitgemäßen Gebäudehülle und Gebäudetechnik kann auch eine Energieversorgung mit Photovoltaikanlagen eine Lösung sein.

Im nächsten Jahr geht’s los

Frühestens im Jahr 2021 wird mit dem Abriss der ersten Gebäude begonnen. Das Projekt wird sich dann mit dem jeweiligen Neubau auf den beräumten Flächen in mehreren Abschnitten bis voraussichtlich zum Jahr 2026 erstrecken. Für die ersten der derzeit noch 145 Mietparteien im Quartier wird bereits in diesem Jahr mit der Vermittlung von alternativem Wohnraum begonnen. Im persönlichen Gespräch im Stadtbüro oder in einem hierfür eigens vor Ort eingerichteten Informationsbüro soll für jeden eine individuell passende Lösung gefunden werden. Bis die betroffenen Mieter eine neue Wohnung beziehen können, werden die derzeitigen Wohnungen natürlich in einem sicheren und funktional einwandfreien Zustand gehalten.

Wenn das Quartier dann vollständig neu erbaut ist, wird an die vormalige Siedlung erinnert, indem der Grundriss eines einstigen Siedlungshauses im Rahmen der Gestaltung der Außenanlagen Berücksichtigung findet. Auf jeden Fall wird die neue Gustav-Böhm-Siedlung für die Mitglieder und Mieter der wankendorfer als auch für die Stadt Bad Segeberg ein Plus an Lebensqualität sein.

© Zastrow